Lieber Oli, (oder: Doch noch Rinjani)

20110916.060410.IMG_6532mit diesem Brief möchten wir uns bei dir entschuldigen, und zwar, für wie sehr wir dich aufhalten werden. Wenn wir uns in circa zwei Wochen in Nepal treffen, um zu trekken, wirst du zwei völlig außer Form befindliche Möchtegerntrekker vor dir haben. Wie wir uns unseren Zustand eingestehen mussten? Das kam so:

Aikmel, Indonesia

Auf Gili Air packte uns irgendwann ein gewisser Bewegungsdrang und so entschieden wir nach Sengiggi zurückzukehren, um von dort aus doch noch den Gunung Rinjani zu besteigen – den ersten Anlauf hatten wir ja angesichts eines weiteren Magen-Darm-Infekts abgesagt. In Sengiggi angekommen buchten wir (weil freies Trekking laut Reiseführer nicht erlaubt ist) eine “lange” Tour: vier Tage, drei Nächte. Es gab auch durchaus kürzere Touren in denen man fast alles sehen würde, doch erschien uns schon die gebuchte Tour nicht gerade ein Spaziergang.

Nachdem wir um fünf Uhr im Dunkeln der Nacht von unserem Hotel abgeholt wurden, brachte uns der Trekking-“Club” eigene Bus nach Sembalun Lawang, ein kleines Dörfchen drei Stunden Autofahrt entfernt auf der anderen Seite des Vulkans. Nach einem typisch touristischen Frühstück (Bananenpfannkuchen) ging es auf den Trail, nicht alleine mit Führer und Trägern wie wir befürchtet hatten, aber auch nicht mit nur der erfreulichen Kleingruppe von fünf Trekkern, einem Führer und vier Trägern, sondern mit mindestens fünf solcher Gruppen!

20110915.085132.IMG_6469Den Vulkankegel hinauf ging es zuerst durch kleine Bananenplantagen und Maisfelder, bis wir die immer steiler werdenden Hänge erreichten, die uns auf den Rand des Kraters bringen würden. Der Weg fiel von Anfang an nicht als der sauberste auf, aber auf landwirtschaftlich genutztem Land hatten wir nichts anderes erwartet. Die abgebrannten Gras- und Buschlandflächen hielten wir zuerst für das Ergebnis von Brandrodung, doch unser Guide klärte uns, die Brände seien hauptsächlich aus versehen durch Raucher ausgelöst. Und leider endete dies nicht mit erreichen des Nationalparks, sondern begleitete uns den gesamten Trek: immer wieder abgebrannte Hänge, die jetzt noch kokelnd bis vor kurzem Lebensraum für Kleintiere und Insekten gewesen waren, nun den Müll frei legten, der sich zwischen Grashalmen versteckt hatte – halb geschmolzene Plastikflaschen, angesengte Verpackungsfolien, genutztes Toilettenpapier. Am Ende weicht der Ekel und die Trauer überwiegt.

Schon bei der Mittagspause fiel das Essen auf: in Woks mit frischem Gemüse zubereitetes Nasi oder Mi Goreng, frisches Huhn, gerade frittiertes Krupuk, später auch gegrillter frischer Fisch aus dem Kratersee, und zum Nachtisch jedes mal die leckerste Ananas, die wir kennen. Die Porter zauberten zu jeder Mahlzeit Fantastisches hervor, und wenn sie es nicht taten, war das entstandene fast schon wieder witzig (Toastscheibe, irgendeine Wurst, Salat und 1000-Island Salatdressing, Toastscheibe, Marmelade, Toastscheibe – ein Sandwich, kaum essbar). Leider macht dem Leave-No-Trace-Trekker die Zubereitung keinen Spaß, es wird auf Lagerfeuern gekocht mit vor Ort gesammeltem Holz, in den Feuern wird verbrannt was geht (Plastikverpackungen) und was nicht geht (Dosen), und zu guter Letzt werden die Feuerstellen noch kokelnd mit halb abgebranntem Müll und Essensresten hinterlassen. Benzinkocher wären so viel vernünftiger – aber wenn Vernunft regieren würde, müsste auch keiner diese ganzen frischen Dinge den Berg hinauf schleppen.

Um so trauriger ist die Ausrüstung der Porter, die gut und gerne 36 Kilo die Hänge herauf und herab tragen: in zwei Körben an einer Bambusstange befestigt, über die Schulter geworfen. Das passende Schuhwerk haben sie dabei auch an, Flip-Flops. Und im Lager teilen sich vier Porter und ein Guide ein 2- bis 3-Mann Zelt. Hätten wir um die Arbeitsbedingungen, die Umweltzerstörung, den Ekelfaktor und die Tourimassen gewusst, hätten wir dies sicherlich nicht ohne weiteres unternommen.

Nach sechs Stunden Wanderung hatten wir den Kraterrand erreicht und erblickten zum ersten Mal den Kratersee und die Halbinsel darin: ein weiterer kleiner Vulkankegel im großen Krater! Der Anstieg von 1100 m auf 2600 m hatte sein Tribut gefordert, nach dem Abendessen und einem spektakulären Sonnenuntergang vielen wir in dem von den Trägern aufgebaute Zelt um und schliefen tief und fest, bis… um 2:30 Uhr der Wecker klingelte.

Um 3:00 Uhr begann im Licht der Stirnlampe der Aufstieg auf den Gipfel, um für diejenigen die es schaffen sollten, von dort aus den Sonnenaufgang zu genießen. Der Anstieg auf 3726 m wäre auf asphaltierter Straße wohl ein Spaziergang geworden, doch im Vulkansteingeröll tut man drei Schritte vor und rutscht zwei zurück, manchmal rutscht man auch weiter zurück als man angefangen hatte. Wenige Minuten nach 6:00 Uhr erreichten wir quasi pünktlich zum Sonnenaufgang den Gipfel, und sahen beim Blick über den Krater den Schatten des Gipfels auf dem wir standen in den Wolken zu unseren Füßen. So hatten sich auch 2600 Höhenmeter in weniger als 24 Stunden gelohnt.

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Nach den wohl bizarrsten Frühstück aller Zeiten (das o.g. Sandwich, serviert mit gerade frittierten, aber kalten Pommes – am Morgen!) begann der Abstieg in den Krater hinein, zum See. Gut 600 Meter tiefer genossen wir ein Bad in heißen Quellen und wuschen den Schweiß und Staub der letzten eineinhalb Tage ab – auch wenn die Angst dreckiger aus den Wasser herauszukommen als man rein gegangen war, angesichts der Farbe und den Ablagerungen nicht unbegründet war. Ein gewisses Sauberkeitsgefühl stellte sich trotzdem ein.

Nach der Nacht am See trennten sich Nicoles und Florians Weg (ein deutsches Pärchen, das uns ständig abhängte, trotzdem geniale Wegbegleiter waren) von unserem, sie hatten eine Übernachtung weniger gebucht und mussten früh morgens den Weg aus dem Krater heraus antreten. Wir genossen eine weitere heiße Quelle, die jedoch in einer Höhle entspringend eine Sauna entstehen lässt. Da auch hier Einheimische Rituale feiern und nächtigen, sah es auch hier aus wie eine Mischung aus Müllhalle und Freilichttoilette.

Wer in einen Krater steigt, muss wissen: what goes down, must go up. Und so stiegen wir am Nachmittag mit zunehmendem Muskelkater an anderer Stelle wieder 600 m auf den Kraterrand hinauf und erwarteten dort den Sonnenuntergang: in der Ferne, nun noch klarer als sonst zu sehen, versinkt der Feuerball hinter dem Gunung Agung – Balis größten Vulkan. Und dann doch: what goes up, must come down… am nächsten Morgen noch ein netter Sonnenaufgang und dann hieß es auch für uns, Abstieg durch den immer dichter werdenden Regenwald.

Tja, Oli, du siehst, es wird machbar sein mit uns in Nepal trekken zu gehen, doch wenn du ein Tempo laufen willst, über das du später erzählen kannst ohne dich schämen zu müssen, suche dir schnell noch ein paar andere Trekkingpartner, wir wären dir nicht mal böse.

Liebe Grüße von Gili Meno und hoffentlich trotzdem bis bald,
Krissi und Ben

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