Busfahrt als Strafe (Episode II)

Ben wieder einigermaßen gesund, entschlossen wir uns den Weg von Sucre nach Tarija anzutreten. Von Sucre aus gibt es nur Busse, die über Nacht fahren, und da überall geraten wird, so weit wie möglich auf diese zu verzichten, planten wir anders. Unser Lonely Planet Reiseführer wies darauf hin, dass von Potosi, etwa drei Stunden mit Bus entfernt, die Verbindungen besser wären, hier würden auch morgens Busse nach Tarija abfahren, also würden wir hier eine Nacht verbringen und dann weiter fahren – tagsüber.

Nach der Fahrt nach Potosi kamen wir im “neuen” Busterminal in Potosi an, ein riesiger, wie ein Zirkuszelt wirkender Kuppelbau, an dem unzählige Busse rund herum andocken können. Viel war hier nicht los, außer dass die Ticketbüros, im ersten Stock als Rundgang in der Kuppel, von der jeweiligen Verkäuferin bewacht wurde. Dabei bewarben sie ihr wichtiges Ziel mit lauten, schrillen Rufen mit weinerlichem Charakter in die leere Kuppel hinein: Sucreeeeee, Potosiiiiiii, La Paaaaaaz, Ouruuuuuu. Alle durcheinander. Und wir wissen alle, wie es klingt wenn nicht gestimmte Instrumente gleichzeitig laut spielen.

In dieser nervtötenden Soundkullisse erfuhren wir dann, dass es keine Tagbusse nach Tarija gibt. Wir waren niedergeschlagen, hätten wir uns die Fahrt nach Potosi auch sparen können. Nachdem dann abwechselnd die eine oder andere Busgesellschaft nicht besetzt war um Fragen zu Preis und Sicherheit zu beantworten, kam beim Versuch Tickets zu kaufen, die Hijobsbotschaft: Es gab nur noch Sitzplätze in der letzten Reihe. Nach kuzem Zögern nahmen wir dann zwangsläufig diese und warteten vier Stunden bis zur Abfahrt des Busses um 18:30 Uhr.

Im Bus angekommen, ein circa 25 Jahre altes Modell (bei weitem nicht das älteste was man in Bolivien findet) ohne größere Rostschäden und einigermaßen Profil auf den Reifen, baten wir eine Einheimische, die sich auf einen unserer Plätze gesetzt hatte und übelst roch aufzustehen, um uns auf unsere minderwertigen Plätze, die tatsächlich weniger Beinfreiheit boten als im schlimmsten Flugzeug, in dem wir je gesessen haben, zu setzen. Bei einem Sitz ließ sich die Lehne um homöpathische drei Grad umklappen, der andere rastete gar nicht ein. Derweil zog der strenge Geruch der Dame, die nun eine Reihe weiter vorne saß, in unsere Nasen und wir ahnten Schlimmes. Als kleiner Beigeschmack waren die anderen Reihen wesentlich weiter voneinander weg und die Rücksitzlehnen ließen sich auch gut nach hinten umklappen.

Die Rückbank bestand aus fünf Sitzen, der Mittlere ungefähr halb so breit wie alle anderen, so das wir davon ausgingen, dass dieser nicht verkauft würde, auch war er in der Tabelle beim Verkauf nicht aufgeführt gewesen. Während sich der Bus füllte, kam eine Mutter mit zwei Jungen zu uns und setzte sich in die letzte Reihe auf die andere Seite, und nahm für einer ihrer Jungen natürlich den mittleren Sitz in Anspruch.

Derweil unterhielt ein vielleicht 12 Jähriger mit quäkigem Gesang (oder war es Geschrei?) und lautem einigermaßen rhythmischem Klatschen den Bus, um dies alle zwei Minuten zu unterbrechen, um nach einer Bezahlung zu fragen. Kurz vor Abfahrt wurde dieser Junge ersetzt durch einen jungen Mann, der eine Art Gitarre spielte und in Kopfstimme sang, er sahnte auch ordentlich ab, doch wir waren zu dem Zeitpunkt zu genervt, um ihn für seine Darbietung zu belohnen.

Der Bus füllte sich und wir wurden, Gott sei Dank, von nicht übelriechenden Menschen umgeben, die Frau wurde durch die planmäßige Belegung immer weiter weg gesetzt. Trotzdem zog bei Abfahrt und den geöffneten Fenstern der Geruch der unsauberen Bevölkerung in unsere Nasen, in dieser Dosis jedoch zu ertragen. Auf den mittleren Sitz kam dann doch noch ein kleiner dicker Mann, nun teilte sich die Familie von dreien zwei Sitze. Immer wieder kam der Busbegleiter vorbei und ermahnte Mütter, die nur ein Tickt gekauft hatten, sie könnte für ihren Nachwuchs nicht einen weiteren Platz in Anspruch nehmen. Manche nahmen ein oder zwei Kinder auf den Schoß, andere standen im Gang, während die Kinder sich den bezahlten Sitz teilten. Anschnallgurte gab es sowieso keine.

Gleich bei Verlassen des Busbahnhofs zeigte sich der Schleudereffekt der Rückbank. Bei jedem Schlagloch, bei jeder Unebenheit wurden wir einige Zentimeter aus unseren Sitzen geschleudert um auf die amateurhaft gepolsterten Stahlrahmen der Sitze zurückzufallen. Mittlerweile dunkel und kalt, wurde zeitweise alles Licht im Bus ausgeschaltet, Fenster wurden zwar vom Busbegleiter zu gemacht, doch daran störten sich die weiter vorne sitzenden nicht, sie machten

Bolivia

diese wieder auf, um uns kalte Winde von allen Richtungen zu bescheren. Gut informiert und vorbereitet wie wir es sind, hatten wir ausreichend warme Klamotten dabei, so dass wir uns samt Mütze und Handschuhe warm einpackten. Die einzigen beiden Lautsprecher die nun mit fragwürdiger Musik den Bus unterhalten sollte, waren nur eine Reihe vor uns angebracht, wir hörten sie gut, die “Musik”.

So saßen wir acht Stunden im Bus aus der Hölle, kalt, durchgeschleudert, eingezwängt, möglichst nichts trinkend (eine Toilette an Bord gibt es sowieso nicht), zunehmend müde, nicht angeschnallt, während der Bus sich enge Passstraßen (Schotterpisten) hinauf kämpfte und herab raste. So kamen wir um 4 Uhr morgens in Tarija am Busbahnhof an.

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