Eine andere Welt – Potolo nach Maragua

20110519.134631.IMG_2406Am nächsten Morgen machten wir uns auf nach Maragua. Eine Wanderung die uns den ganzen Tag kosten würde und an Dinosaurierspuren und unabhängigen Völkern vorbei führen würde, bis in den Krater von Maragua.

Die Landschaft zeigte sich in Abhängigkeit vom aktuellen Tal und der hier so kritischen Wasserversorgung mal trocken und schlecht für die Landwirtschaft, und mal sehr trocken und unmöglich für die Landwirtschaft. Wie es den Einheimischen hier gelingt, auf Feldern ein Viertel so groß wie ein Fußballfeld, nicht nur genug Getreide oder Mais für die eigene Familie zu erwirtschaften, sondern auch noch etwas zum Verkauf übrig zu haben, bleibt uns bis zuletzt ein Rätsel. In machen Siedlungen (6 Häuser in der Mitte von Nirgendwo) gab es sichtbare Bewässerungsgräben, doch die Reservoire, die sie füllen sollten, waren allesamt leer. Nur der Zucht von bestimmenten Arten, die sich des Wassermangels lange wiedersetzen können, ist es wohl zu verdanken, dass die Menschen hier noch nicht alle verhungert sind.

Bolivia

Bolivia

Bolivia

In versteinerter Lava fanden sich mitten in der Natur, ohne Beschilderung oder sonstige Hinweise, Dinosaurierspuren. Und wir hätten dies wohl nicht geglaubt, dass es sich um solche handelt, in solcher Anzahl “frei” in der Natur herumliegend, wäre doch in Deutschland schon bei einem einigermaßen erkennbareren Abdruck, ein Museum drumherum gebaut, hätte uns der Guide nicht erklärt, dass sich der in der Nähe lebende einheimische Stamm, der in sich unabhängig und autonom von der bolivianischen Regierung lebt, gegen eine wissenschaftliche Ausgrabung entschieden hat, und dies auch von der Regierung respektiert wird.

Auf dem Weg begegneten wir auch dann diesen kleinen Dörfern (30 Häuser), die sich vom bolivianischen Staat losgesagt hatten (ohne feste Territorialansprüche zu erheben) und in ihrer Eigenständigkeit eine eigene Verwaltung, eine ein eigenes Steuersystem, und zum Teil eine eigene Justiz haben. Alles basierend auf Bräuchen aus einer Zeit vor der spanischen Eroberung.

Entsprechend wird in diese Dörfern auch ausschließlich Quechua gesprochen, und kein Spanisch. In der Schule lernen die Kinder zwar auch Spanisch, aber viele Ältere sprechen kein Wort. Auch unser Guide ist in dieser Kultur in Quechua aufgewachsen und hat erst in der Schule spanisch sprechen gelernt.

Nach Erklimmen des Randes des Kraters von Maragua blickten wir auf eine runde Senke, die in ihrem Rand drei Aussparungen aufweißt und in der Mitte ein rotes Plataeu. Die Lücken im Kraterrand sind wohl durch abfließendes Wasser entstanden. Das Plateu in der Mitte ist ein seiner Entstehung nicht sicher geklärt (der ganze Krater ist in seiner Entstehung umstritten, Vulkan oder Meteorit), dafür ist du Nutzung um so eindrücklicher: Die Jalq’a aus Maragua und der näheren Umgebung beerdigen ihre Toten hier. Was für ein Ort für die ewige Ruhe.

Unserem fließend Quechua sprechendem Guide (wohl unter den Guides eher eine Seltenheit) gelang es dann auch, nach unserer Ankunft an der zur Vornacht analogen Touristenbehausung, den Schlüssel für diese aufzutreiben, was ihm immerhin einen einstündigen Spaziergang im Dorf abverlangte und für uns ohne Quechua-Kenntnisse sicherlich unmöglich gewesen wäre.  Aber auch er stieß an seine kulturellen Vermittlungsgrenzen, nachdem die zuständige Köchin auch bis um 18:30 Uhr noch nicht aufgetaucht war, obwohl sie normalerweise schon um 17:00 Uhr zum Tee hätte da sein sollen und wir keinen Schlüssel zur Küche hatten, um uns selbst zu versorgen. Kurzerhand suchte er dann mit uns und unseren Lebensmitteln eine ihm gut bekannte Familie im Dorf auf, und fragte, ob sie uns bekochen würden (gegen ein wenig Geld). Die Frau mit drei Kindern, sah dies als höfliche Selbstverständlichkeit an und bastelte in ihrer Hinterhofküche über dem offenen Feuer ein wirklich sehr leckeres Essen und spendierte noch Maiskolben und Kartoffeln. Natürlich machten wir uns Sorgen um unsere Därme, da die hygienischen Zustände nochmal deutlich schlechter als in Potolo waren (und dort hatten wir uns um unsere Essen selbst kümmern können), hier gab es Wasser aus dreckigen Kanistern und gespült wurde eben mit diesem Wasser und der Hand, die wohl zuletzt vor Wochen gewaschen wurde. (Dieses Dorf hatte keine Hilfe für sanitären Einrichtungen ersucht, wo also die “Toiletten” waren, erfuhren wir nie.) Wir nahmen uns ein Herz, Kristina zögerlicher als Ben, und aßen mit gusto die leckeren, wenn auch für unsere Darmflora sicherlich zweifelhaften Gerichte. Viele Dinge beobachteten wir an diesem Abend, das meiste davon bleibt als weitgehend unverstandener Eindruck hängen. Müll, wird verbrannt, egal ob Papier oder Plastik, Essenreste werden einfach in den Hof geworfen (essen dies die Hühner am nächsten Tag, die im Hühnerhaus direkt neben der Feuerstelle schliefen?). Licht ist vorhanden, im Haus brennt Licht und mittig über dem Hof hängt eine hochmoderne stromsparende Leuchte (so wie wir sie in Deutschland uns weigern anzunehmen). Trotzdem ist in der Nähe der Feuerstelle kein Licht vorhanden, so dass mit der Spielzeug LED-Taschenlampe (rot und blaues Blinklicht, weißes Blink- und Dauerlicht, sowie Laserpointer) umständlich ausgeholfen werden muss. Drei Kinder springen herum, und weisen die gleichen Übersprungshandlungen auf wie deutsche Kinder in der Anwesenheit von Fremden – toll. Dank Rubens Übersetzung, erfahren wir, die Frau sei vor zwei Wochen nach Argentinien gefahren, um in der Landwirtschaft zu arbeiten, schwer sei es gewesen, am Grenzübergang wie ein Krimineller behandelt, schwierige Busverbindungen, der Lohn nicht ganz so erfolgreich wie erhofft. Sie habe Angst, ihre Kinder werden, wenn sie mal alt genug sind, so wie viele andere auch aus dem Dorf, in die Städte oder sogar nach Brasilen, Argentinien, Chile bis sogar nach Spanien auswandern, und auch wenn es für die Kinder vielleicht mehr Zukunftsperspektive bietet, was wird dann aus ihr und all den anderen im Dorf. Schon jetzt merkt Ruben wie jedes Jahr aufgrund der Landflucht mehr Häuser leer stehen, wie die Dörfer immer ruhiger werden, die Auswanderung und die Abwanderung in die Städte ist nicht zu bremsen – er lebt ja jetzt auch in einem Vorort von Sucre.

Danke, an die wundervolle kleine Familie, die uns an diesem Abend versorgt hat, uns hat teilhaben lassen an ihrem Leben. Danke Ruben, du bist ein toller Guide der uns ein sicherlich einmaliges Erlebnis verschafft hat.

Zu guter Letzt ließ uns die Köchin, die am Abend dann doch noch verspätet aufgetaucht war, am nächsten Morgen trotz einer stattgefundenen Absprache  zum Frühstück wieder hängen, so dass wir mit aus Plastikflaschen improvisierten Schüsseln unsere Cornflakes löffelten und auf unseren Tee verzichteten.

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