Eine andere Welt – Chataquila nach Potolo

20110518.115938.IMG_2351Nachdem uns Ruben, unser Führer, und der Fahrer an unserem Hostel überpünktlich um 6:25 Uhr abgeholt hatten (Pünktlichkeit ist an sich schon ungewöhnlich in Südamerika, zu früh sein gerade zu Grund für Misstrauen), fuhren wir knapp eineinhalb Stunden in die umliegenden Berge, über nicht asphaltierte Straßen, wie wir sie schon aus ganz Südamerika gewöhnt sind, nur dass in Bolivien die Schotterpisten nicht erst außerhalb der Stadt anfangen, sondern bereits in der Stadt.

Bolivia

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Von den Bergen aus blickten wir über die wolkenverhangenen Täler auf immer noch 2750 m herab. Unsere Wanderung begann in Chataquila, wo nicht mehr als drei Häuser versteckt in den scharfen Hängen eine kleine Kirche umgeben, die Kirche der Virgen de Chataquila. An dem Morgen trafen wir nur  auf einen der Anwohner, einen alten Mann, der hier keiner-weiß-wie, sein Lebensunterhalt verdient. Zumindest im letzten Dezember hatte er versucht mit Dynamit irgendetwas zu sprengen und sich dabei die eine Hand verletzt, so erzählte unser Guide während er versuchte uns die Wunde zu zeigen, was der Mann aber eher ablehnte. Klar war allerdings vom dreckigen Stofffetzen der auf der Wunde klebte, dass der Mann kein Arzt gesehen hatte, wer weiß, ob er dies jemals getan hat. Die Kirche, die jedes Jahr zum Jahrestag Pilgerort für tausende Bolivianer wird, war innen festlich geschmückt, bevorzugter weise mit viel glitzernder Folie (die eher an Kindergeburtstag erinnert) und Plastikblumen, wie sie hier viel anzutreffen sind.

Nach einer knapp zweistündigen Wanderung, erreichten wir Pumamachay, eine Höhle mit rund 2500 Jahre alten Wandmalerein, ganz einfache Strickzeichnungen und Symbole, die angesichts der Europäischen Höhlenmalerein vor 20.000 Jahren eher ein Armutszeugnis der Entwicklung auf dem Amerikanischen Kontinent darstellen, jedoch nicht weniger faszinierend sind. Nur wenige Meter entfernt bei Incamachay finden sich unter einem Felsvorsprung nun mehrfarbige komplexere Symbole. Pünktlich zum Mittagessen hatten wir das Auto wieder erreicht, welches in der Zwischenzeit an eine andere Stelle gefahren worden war. Nach ein paar Meter weiter machten wir halt, um am Rande einer riesigen Schlucht, die den Canyons im Südwesten der USA in nichts nachsteht, Mittag zu essen. Von dort aus fuhren wir Potolo an, eines der Dörfer der Jalq’a, eine Völkergruppe die unter Erhalt ihrer traditioneller Lebenweise sich dem Tourismus geöffnet hat.

Bei der Auswahl der Tour-Agentur achteten wir auch darauf, dass die Agentur auch ein Teil des Geldes an die einheimischen Völker weiterleitet. Wie das nunmal so ist, geschieht dies nicht aus purer Nächstenliebe, sondern im Tausch gegen Unterkunft für die Kunden. Die Jalq’a haben in mehrern Orten ihrer Region Cabanas aufgebaut, deren Standard Touristen genügen dürften und somit eine Grundlage zur wirtschaftlichen Teilhabe am Tourismus gelegt. Die wirklich sehr schönen und mit viel Liebe, auf traditionelle Weise hergerichteten Bungalos boten uns und dem Guide eine bequeme Übernachtungsmöglichkeit. Ein wenig beklemmend ist es dann doch, wenn man nach Bezug der Unterkunft noch ein paar Häuser mit dem Guide abklappert, um dort einheimische Webkunst zu sehen und zu kaufen, und dabei feststellt, dass die eigene Unterkunft um ein vielfaches “besser” ist als alles was diese Menschen jemals erleben werden.

Eine Lehmhütte, ein staubiger Erdplatz umgeben von einer brusthohen Lehmmauer, wo auf dem Boden oder auf Steinen sitzend über einer Feuerstelle (Loch im Boden, drei Steine drum herum als Auflage für Topf oder Pfanne) gekocht, gegessen, gespült, gewaschen und eigentlich alle Tätigkeiten des täglichen Lebens verrichtet werden. Dieses Dorf hatte eine wohltätige Organisation gebeten, für alle Häuser moderne Toiletten mit fließendem Wasser und Sickergrube zu installieren, so dass tatsächlich in dem meisten Hinterhöfen ein 2 x 2 m großes, weißes Lehmziegelhäußchen stand, in dem sich wohl Toilette und Wasseranschlusss befinden. Das nennt sich dann geradezu revulotionärer Fortschritt im Jahr 2011.

Die Webkunst, die wir hier beobachten durften, ist wirklich sagenhaft. Für ein Tuch von 15×25 cm benötigt eine geübte Hausfrau zwei Monate wenn sie jede Minute, die sie nicht mit der Haus-, Feld- und sonstigen Arbeit verbringt, an ihrem Beitrag zur Überlieferung dieser Jahrtausend alten Kunst arbeitet. Von der Herstellung der Wollfaden, über die Färbung, ist hier alles selbst gemacht. Wir entschieden uns, eine Familie mit dem Kauf des Tuchs zu unterstützen, auch wenn es schwer fällt sich für einen der Anbieter zu entscheiden. Und der Kauf eines solchen Tuchs ist keine Kleinigkeit, die für uns nicht ganz kleine Summe von 45 EUR,entspricht laut unserem Guide in der Stadt etwa einer Monatsmiete. Später lernten wir durch unseren aufmerksamen Guide, dass die Familie dieses Jahr in dem Dorf eine spezielle Aufgabe erhalten hatte, sie müssen Feste leiten und organisieren und haben auch bzgl der Entwicklung des Dorfs mitzureden, eine Stellung mit großer Ehre und Verantwortung, aber auch mit großer finanzieller Belastung, da manch ein Teil der Feste von der entsprechenden Familie gestiftet werden muss. Vielleicht hilft unser Beitrag so ein klein wenig auch dem ganzen Dorf.

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