Um den großen See keine vier Busstunden von La Paz entfernt ranken sich viele Legenden. Sonne und Mond sind hier entstanden, viele Völker der Region sehen ihren Ursprung hier und selbst der See an sich entstand nicht einfach aus Regenwasser in einem festen Gesteinstal, sondern entstand (zum Beispiel) durch einen göttlichen Krug der zerbrach und nicht mehr aufhörte Wasser auszuschütten.
Nicht nur das Legenden in unserer Europäischen Gesellschaft durch wissenschaftliche Erklärungen und zunehmende Säkularisierung uns sehr fremd sind als Erklärung für natürliche Gegebenheiten, sondern auch die Sprache der Legenden machen uns im Verständnis immer wieder zu schaffen. Klar, uns werden die Legenden in Spanisch vorgetragen, doch immer wieder mischen sich Aymarische Wörter und kulturelle Vorstellungen hinein, für uns oft schwer zu verstehen.
Der Lago Titicaca besteht aus zwei Seen, die durch eine Enge verbunden sind und viele Inseln beinhaltet. Die wichtigsten Inseln sind die große Isla del Sol und eine weitaus kleinere Isla de la Luna, die erste ist die Männerinsel auf der Männerseite des Sees, die zweite die Fraueninsel auf deren Seite des Sees. Die Isla de Sol ist Ziel von ausgeprägtem Tourismus, hier lässt sich in allem Komfort übernachten und speisen, auf den die Insel bedeckende Wanderwege lassen sich einige Inca und Prä-Inca Ruinen besichtigen. Die besterhaltene Ruine befindet sich allerdings auf der Mondinsel, und wir, mal wieder anders sein wollend als der Rest der Touris, buchten über eine kommunale Tourismusförderung unseren Inselaufenthalt ausschließlich auf der Fraueninsel.
Hier wohnen 25 Familien, es gibt eine Grundschule mit 10 Schülern und einem Lehrer, ein Fußballfeld und Basketballplatz, wobei auf dem Fußballfeld Kartoffeln getrocknet werden und dem Basketballplatz die Hoops samt Backboard fehlen. Da hier circa 2-3 Touristen am Tag aufschlagen und auf der Sonneninsel Hunderte, entschied sich das Dorf den Tourismus zu fördern und errichteten kleine Informationstafeln zur traditionellen Lebensweise und errichteten ein Netzwerk aus Transportanbietern (Taxis und Booten), Fremdenführern, Gaststätten und Übernachtungsmöglichkeiten.
Abgeholt wurden wir am Hauptplatz in Copacabana von einem Taxi, welches uns in das kleine Dorf Sampaya brachte, von wo aus wir mit einem kleinen Bötchen auf die Insel gebracht wurden. Unseren Guide lernten wir auch in Sampaya kennen, er war mit dem Boot mitgekommen, um uns abzuholen und ist hauptberuflich Fischer, führt seit zwei Jahren gelegentlich Touristen herum und hilft seiner Frau beim Basteln von Handarbeitsdingen, die an die Touristen verkauft werden (jedoch nur einfache Dinge wie Armbänder und Gürtel, für Pullover oder gar Socken sei er zu ungeschickt). Die Tour gestaltete sich als Wanderung über die Insel, vorbei an den Informationstafeln bis hin zum alten Präinca-Tempel, den jedes hier lebende Volk in ihrer Epoche assimilierten, bis auf die Spanier, die von allem Nicht-Christlichen nichts hielten.
Nach der Tour gab es Mittagessen, eine hervorragende Forelle aus dem Titicacasee, mit den üblichen Beilagen Boliviens (Reis und Kartoffeln und Salat). Die Dame, die uns bekochte, war auch die Verwalterin des Hostels, in dem wir übernachten durften, wobei “Hostel” und “durften” mit Vorsicht zu lesen sind. Das Hostel bestand aus zwei kahlen Räumen in einem weit abgelegenen Häuschen, jeweils mit einem Bett, einer bezogenen Matratze, keinen Kopfkissen und vier dreckigen Wolldecken. Kein Strom, was nicht schlimm und auf der Insel nicht unüblich ist. Ungewohnter war der Hinweis, eine Toilette oder Waschbecken gebe es nicht, einfach vier Meter den Hang hinauf, dort sollte man sein Geschäft erledigen. Somit wurde uns schlagartig klar, warum der Tourismus hier noch nicht eingeschlagen hatte, die Infrastruktur fehlte. Da wir am Nachmittag freigestellt waren, um die Insel zu erkunden, unternahmen wir einen langen Spaziergang, die halbe Insel entlang und entschlossen uns, das Schicksal anzunehmen und die Nacht in unserer normalen Kleidung im unsauberen Bett zu verbringen (in unserem Zelt hätten wir uns wohler gefühlt). Wir fotografierten noch die Cordillera Real im Sonnenuntergangslicht, aßen unser Abendessen, eine gute Suppe mit Quinoa, einem lokalen Getreide, und versuchten zu schlafen.
Alles andere als ausgeruht (in Wanderklamotten und mit drei schweren, dreckigen Decken schläft es sich dann doch nicht wie auf Wolke Sieben), aßen wir am Morgen ein frittiertes Brot, noch warm und sehr lecker, wenn auch etwas deftig für den Morgen, und setzten uns nach kurzer Verabschiedung in ein anderes Bötchen, um von einem sicherlich nicht älter als 15 jährigen Jungen ans Festland gebracht zu werden. Nachdem das Taxi knapp eineinhalb Stunden nach der vereinbarten Zeit nicht angekommen war, bemühten wir uns in dem 200 Seelen Kaff jemanden zu finden, der unser Dilemma verstand und fähig war uns zu helfen, maßgeblich ein Telefon besaß, um uns ein Taxi zu rufen, welches uns ins eine Stunde entfernte Copacabana zurückbringen würde. Nach längerer Suche fand sich jemand, der uns ein Taxi rief, doch keine fünf Minuten später tauchte das eigentlich bestellte Taxi auf. Bis jetzt plagt uns, dass der zweite Taxifahrer niemanden fand, den er hätte fahren können, und dass dies wohlmöglich ein schlechtes Licht auf die Touristen wirft, aber was hätten wir anderes tun sollen, eine Telefonnummer der Tourismusorganisation hatten wir nicht und so etwas wie Internet oder gar Telefonauskunft, um diese herauszufinden sind deutsche Einfälle die in Bolivien nicht funktionieren.
Zurück in Copacabana, dem Haupttourismusort auf bolivianischer Seite des Lago Titicaca, bezogen wir unser zweites nettes Hotel, das erste war eine sagenhafte Cabana gewesen mit Seeblick, Küche und Kaminofen, aßen zum wiederholten Mal Forelle aus dem See und planten die Weiterfahrt. Gerne wären wir von Copacabana aus nach Puno in Peru weitergefahren und hätten noch die Islas flotantes gesehen (künstliche Inseln, die von Einheimischen gebaut worden waren um sich vor den Inca in Sicherheit zu bringen), doch in Peru blockieren seit Wochen Einheimische die Grenze als Protest gegen geplante Minen, die wohlmöglich das fragile Ökosystem des Lago gefährden würden. Da zuletzt hunderte Touristen in Puno festsaßen, während das Zollamt brannte, entschieden wir uns gegen abenteuerliche Alternativrouten, die hier angeboten werden (z.B. mit einem Privatboot raus auf den See, dort dann Wechsel auf ein peruanisches Boot, verbunden mit Schwierigkeiten bei den Passbehörden und wohl häufigen räuberischen Überfällen an den unbewachten Stellen). Also treten wir einen 1040 km langen Umweg nach Peru an, über Arica in Chile, um dann die (bisher unbeschwerte) chilenisch-peruanische Grenze zur Weiterreise zu nutzen.
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