Ahw kunn tschran

Die verlorene Tochter Südostasiens ist das Land in der Mitte: zwischen Thailand und Vietnam hatte das Volk der Khmer eine turbulente Geschichte, regierte zeitweise die Region, baute die größten Tempel der Welt, verschwand wieder als ungeliebte Fremde zwischen mächtigeren Nachbarn und versank dann unter den Roten Khmer im Terror und Chaos. Heute, nach rund fünfzehen Jahren Frieden, ist Kambodscha voller Hoffnung und Gastfreundschaft, so gar nicht verbittert von dem Krieg, der überall seine Narben hinterlassen hat.

Die Minenfelder (die von allen Parteien gelegt wurden) machen das Leben von tausenden Kambodschanern noch heute zur Hölle, sei es weil sie aus Mangel an Alternativen auf verseuchtem Land Ackerbau betreiben und ihre Familien großziehen müssen, oder weil sie im Lauf ihres Lebens bereits Opfer geworden sind und Beine, Arme, Augenlicht oder Angehörige verloren haben. Überall begegnen dem Reisenden diese Opfer, manche beißen sich durch und arbeiten im Feld auch ohne Beine, andere betteln ums Überleben. Um so unverständlicher ist der Umgang der Gesellschaft mit den Opfern aus ihrer Mitte: Verstümmelte werden häufig als Aussätzige behandelt.

Die Korruption ist wohl das andere große Ungeheuer in dieser Gesellschaft. Nicht nur geht es beim Bau von Häusern, bei der Besetzung von politischen Ämtern und der öffentlichen Auftragsvergabe nicht ohne Schmiergeld, erschreckenderweise wird auch die Zukunft ganzer Generationen zerstört, ausgerechnet von denjenigen, die ihnen den Weg in eine bessere Zukunft ebnen sollen: Um in der Schule auf eine Versetzung hoffen zu können, müssen die Kinder bei ihren Lehrern zusätzlich kostenpflichten Privatunterricht nehmen. Das können sich aber viele Familien nicht leisten, und so gehen die Kinder erst gar nicht zur Schule. Bildung bleibt Mangelware, in einem Land, wo die letzte gebildete Schicht von den Roten Khmer systematisch ausgerottet wurde.

Noch heute leben rund 80% der Khmer auf dem Land als Kleinstbauern, nur 20% leben in Städten, meist als Angestellte oder von der Hand-in-den-Mund lebenden Einmannbetrieben. Die meisten Inhaber von Geschäften und Firmen sind Ausländer, das große Geld sacken am Ende die in völliger Steuerfreiheit lebenden Expats ein. Zugute halten muss man ihnen, dass, wie in keinem anderen Land der Welt, sie ein Netz von NGOs aufgebaut haben, das an vielen Stellen großes bewirkt hat.

Und trotz dieser Geschichte und diesen Vorzeichen sind die Khmer ein Volk, das an Gastfreundschaft und Lebensfreude kaum zu überbieten ist. Mit einfachen Mitteln tun sie alles, um ihre Mitmenschen glücklich zu machen und freuen sich aus tiefstem Herzen über noch so kleine Geschenke. Kinder stehen am Straßenrand, im Feld oder auf der Veranda des schwimmenden Hauses und winken begeistert, Erwachsene lächeln und geben sich trotz Mangel einer gemeinsamen Sprache große Mühe zu kommunizieren.

Trotz ihrer fürchterlichen Vergangenheit und der schwierigen Gegenwart glauben wir, dass die Menschen mit ihrem unerschütterlichen Optimismus und fröhlichem Ausblick auf’s Leben, es richten werden, sie werden unermüdlich arbeiten und Kambodscha im Glanz vergangener Zeiten erstrahlen lassen. Möge Frieden für immer zurückgekehrt sein in das Land Khmer.

Dieser Beitrag wurde unter Asien, Kambodscha, Reiseblog Eintrag veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.