Verneigung

Der Schaffner verneigt sich bei jedem Betreten und Verlassen des Wagons zu den Passagieren. Die ältere Generation erwidert die Geste zumindest durch ein Nicken den Kopfes. Die Kellnerin verlässt den Tisch rückwärts gehend mit gesenktem Oberkörper. Die Massen verfallen in regelrechte Verbeugungsorgien bei der Begegnung mit Mönchen. Die Kassiererin im Supermarkt, der Hotelangestellte, die nette Dame von der kostenlosen englischsprachigen Führung. Schulkinder verneigen sich vor ihren Lehrern, Polizisten oder Busfahrern. Selbst Jugendliche unter sich verneigen sich leicht bei der Verabschiedung. Der Respekt und die Wertschätzung scheint grenzenlos im Land der aufgehenden Sonne.

Das schönste daran ist, dass (soweit wir dies ohne Sprachkenntnisse oder einen tieferen Einblick in die Beziehungen der Menschen unter sich beurteilen können) es nicht wie ein bedeutungsloser Automatismus wirkt, wie der französische oder südeuropäische Begrüßungs- oder Abschiedskuss, sondern tatsächlich ein Ausdruck des Respekts vor dem anderen Menschen zu sein scheint. Vielleicht gelingt dies, weil durchaus eine Abstufung dabei vorhanden ist, eine tiefere Verneigung in Richtung eines Mönchs oder eines alten Menschen bedeutet mehr als die angedeutete Verneigung vor dem rempelnden, torkelnden Besoffenen – doch auch in seine Richtung findet sie statt!

Nach drei Wochen Japan verneigen wir uns voller Ehrfurcht und Respekt, für eben diese Tugenden, die die Japaner ihren Mitmenschen entgegenbringen.

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